Gestern
habe ich ein Konfliktseminar belegt. Die Referentin, Frau Professor Dr. Dr.
Diplom Psychologin begrüßte die Runde mit einer betont sanften Stimme. Meine
Bemühungen nicht einzuschlafen, waren sehr groß, denn ich hatte verschlafen und
dementsprechend floss noch kein Koffein durch meine Adern.
Ein
Konflikt ist die Unvereinbarkeit von Zielen und Bedürfnissen. Kalte Konflikte,
heiße Konflikte, soziale Konflikte, Konflikte innerhalb der eigenen Person. Ich
kämpfte wie gesagt gerade gegen den Konflikt innerhalb der eigenen Person,
indem ich mich fragte, warum in aller Welt ich zu einem Konfliktseminar mit
Diplom Psychologin tatsächlich ohne einen Tropfen Kaffee angerückt war.
Abgesehen
von der „Kein Kaffee“-Situation habe ich ein Problem mit solchen Seminaren - da
beginnt schon meiner erster Konflikt - soll ich hingehen, mich aufwühlen lassen
oder lasse ich es besser bleiben, weil ich bisher ganz gut mit mir selbst klar
gekommen bin. Als ich zur Tür hereinkam erspähte ich als Erstes einen Stuhlkreis.
Wie in einer Selbsthilfegruppe für konfliktgeplagte, gestresste Workaholics
stellten wir uns alle vor und jeder musste einen aktuellen Konflikt darlegen.
Dabei kristallisierte sich schnell heraus, dass vor allem eine Person aus unserer
Gruppe einen Konflikt mit sich, ihrem Arbeitgeber und der ganzen Welt austrug.
Nicht mein Problem, aber in diesem Augenblick leider schon. Anstatt abzubrechen
und mit dem Seminar fortzufahren hörte sich die Referentin - ganz Psychologin -
die Erläuterungen der kalten, heißen und chronifizierten Konflikte der
Dame mit den Spaghettihaaren und der großen Hornbrille an. Um nicht
einzuschlafen fingen meine Gedanken an bunt zu werden. Begebe ich mich gerne in
Konfliktsituationen, trage ich Konflikte aus oder mache ich zu oft Kompromisse
und gebe mich zufrieden, obwohl ich nicht zufrieden bin? Hier und da könnte ich
schon etwas hartnäckiger sein und meinen Standpunkt klar und deutlich
vertreten. Aber ansonsten plädiere ich für einen gesunden Mittelweg zwischen
Kompromiss und dem Durchsetzen der eigenen Meinung.
Weiter
erfahre ich durch Frau Professor Dr. Dr., dass neben dem Kompromiss noch eine
weitere Option existiert, auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen, den
"Konsens". Durch den Konsens entsteht eine win-win Situation, indem
kein Kompromiss geschlossen wird, sondern eine alternativer Lösungsweg
eingeschlagen wird, mit der die beteiligten Parteien nicht im Ansatz, sondern vollständig
zufrieden sind. Und zwar Alle.
Wir
haben zum Beispiel eine Orange. Beide Parteien wollen diese Orange gerne haben.
Ein Kompromiss würde geschlossen, indem man die Orange teilt. Jede Partei hätte
dann eine Hälfte, wäre aber nur halb zufrieden. Indem man intensiv miteinander kommuniziert
stellt sich jedoch nach einiger Zeit heraus, dass eine Partei den Saft der
Orange möchte und die andere den Schalenabrieb braucht. Ab diesem Zeitpunkt
entsteht ein Konsens und beide Parteien haben ihr Ziel zu einhundert Prozent erreicht.
Wir sind mittlerweile im Alltag so auf Kompromiss getrimmt, dass wir oft
gar nicht auf die Idee kommen nach einem Konsens zu suchen,
höchstwahrscheinlich auch aufgrund der fehlenden Zeit. Wenn Einem im
Arbeitsleben also ein Quäntchen mehr Zeit zur Verfügung stünde, wäre der
Benefit für den Arbeitgeber unterm Strich größer, weil die Lösungen sehr viel
kreativer ausfallen würden.
"Wir
machen eine Pause." Ich war so in Gedanken versunken, dass ich das
therapeutische Beratungsgespräch nicht mehr weiter verfolgt hatte. Nach der
Pause hatte ich die Hoffnung, dass die unglückliche Dame durch Frau Professor
Dr. Dr. therapiert worden war.
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