Sonntag, 11. Mai 2014

"Setz dich und nimm dir nen Keks."

Gestern habe ich ein Konfliktseminar belegt. Die Referentin, Frau Professor Dr. Dr. Diplom Psychologin begrüßte die Runde  mit einer betont sanften Stimme. Meine Bemühungen nicht einzuschlafen, waren sehr groß, denn ich hatte verschlafen und dementsprechend floss noch kein Koffein durch meine Adern.

Ein Konflikt ist die Unvereinbarkeit von Zielen und Bedürfnissen. Kalte Konflikte, heiße Konflikte, soziale Konflikte, Konflikte innerhalb der eigenen Person. Ich kämpfte wie gesagt gerade gegen den Konflikt innerhalb der eigenen Person, indem ich mich fragte, warum in aller Welt ich zu einem Konfliktseminar mit Diplom Psychologin tatsächlich ohne einen Tropfen Kaffee angerückt war.

Abgesehen von der „Kein Kaffee“-Situation habe ich ein Problem mit solchen Seminaren - da beginnt schon meiner erster Konflikt - soll ich hingehen, mich aufwühlen lassen oder lasse ich es besser bleiben, weil ich bisher ganz gut mit mir selbst klar gekommen bin. Als ich zur Tür hereinkam erspähte ich als Erstes einen Stuhlkreis. Wie in einer Selbsthilfegruppe für konfliktgeplagte, gestresste Workaholics stellten wir uns alle vor und jeder musste einen aktuellen Konflikt darlegen. Dabei kristallisierte sich schnell heraus, dass vor allem eine Person aus unserer Gruppe einen Konflikt mit sich, ihrem Arbeitgeber und der ganzen Welt austrug. Nicht mein Problem, aber in diesem Augenblick leider schon. Anstatt abzubrechen und mit dem Seminar fortzufahren hörte sich die Referentin - ganz Psychologin - die Erläuterungen der kalten, heißen und chronifizierten Konflikte der Dame mit den Spaghettihaaren und der großen Hornbrille an. Um nicht einzuschlafen fingen meine Gedanken an bunt zu werden. Begebe ich mich gerne in Konfliktsituationen, trage ich Konflikte aus oder mache ich zu oft Kompromisse und gebe mich zufrieden, obwohl ich nicht zufrieden bin? Hier und da könnte ich schon etwas hartnäckiger sein und meinen Standpunkt klar und deutlich vertreten. Aber ansonsten plädiere ich für einen gesunden Mittelweg zwischen Kompromiss und dem Durchsetzen der eigenen Meinung.

Weiter erfahre ich durch Frau Professor Dr. Dr., dass neben dem Kompromiss noch eine weitere Option existiert, auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen, den "Konsens". Durch den Konsens entsteht eine win-win Situation, indem kein Kompromiss geschlossen wird, sondern eine alternativer Lösungsweg eingeschlagen wird, mit der die beteiligten Parteien nicht im Ansatz, sondern vollständig zufrieden sind. Und zwar Alle.

Wir haben zum Beispiel eine Orange. Beide Parteien wollen diese Orange gerne haben. Ein Kompromiss würde geschlossen, indem man die Orange teilt. Jede Partei hätte dann eine Hälfte, wäre aber nur halb zufrieden. Indem man intensiv miteinander kommuniziert stellt sich jedoch nach einiger Zeit heraus, dass eine Partei den Saft der Orange möchte und die andere den Schalenabrieb braucht. Ab diesem Zeitpunkt entsteht ein Konsens und beide Parteien haben ihr Ziel zu einhundert Prozent erreicht. Wir sind mittlerweile im Alltag so auf Kompromiss getrimmt, dass wir oft gar nicht auf die Idee kommen nach einem Konsens zu suchen, höchstwahrscheinlich auch aufgrund der fehlenden Zeit. Wenn Einem im Arbeitsleben also ein Quäntchen mehr Zeit zur Verfügung stünde, wäre der Benefit für den Arbeitgeber unterm Strich größer, weil die Lösungen sehr viel kreativer ausfallen würden.

"Wir machen eine Pause." Ich war so in Gedanken versunken, dass ich das therapeutische Beratungsgespräch nicht mehr weiter verfolgt hatte. Nach der Pause hatte ich die Hoffnung, dass die unglückliche Dame durch Frau Professor Dr. Dr. therapiert worden war.

Ich ging freundlich, aber bestimmt auf sie zu. "Setz dich, nimm dir nen Keks oder es gibt einen Konflikt." Ich lächelte sie an. Wir kamen also nach intensiver, non-verbaler Kommunikation zu einem Konsens. Die Dame hatte einen leckeren Keks, ich ab diesem Zeitpunkt noch etwas von dem nicht ganz günstigen Seminar und wir konnten einen Konflikt verhindern.

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